Inside aqua med – Ein Tag in der medizinischen Assistance

Es ist 8:00 Uhr in der Früh und der Dienstbeginn der ersten Schicht der ärztlichen Hotline von aqua med. Die ärztliche Hotline ist in drei Schichten eingeteilt. Der folgende Text gibt echte medizinische Fälle eines typischen Tages der medizinischen Assistance von aqua med wieder und damit begleiten wir den diensthabenden ärztlichen Kollegen durch den Assistance-Alltag.

Es ist 8:20 Uhr als der erste Anruf auf der ärztlichen Notfall-Hotline von aqua med eintrifft. Schmerzen in der linken Flanke plagen den in der Karibik auf den Bahamas (2:20 Uhr Ortszeit) verweilenden Taucher. Sie kommen und gehen, was Mediziner unter kolikartigen Schmerzen verstehen. Der Anrufer ist schmerzgeplagt und kann während einer Schmerzspitze kaum reden. In den schmerzfreien Episoden geht es und er kann die Fragen des ärztlichen Assistance-Mitarbeiters beantworten. Eine Vorstellung bei einem lokalen Arzt erfolgte bisher noch nicht. Beruhigend aber strukturiert erfragt der Hotline-Arzt alle wichtigen Dinge, die es zu wissen gibt; es erfolgt eine fokussierte Anamnese zu Dauer, Qualität und Intensität der Schmerzen. Gibt es einen Tauchzusammenhang? Zudem: Gab es in der Vergangenheit bereits solche Schmerzepisoden? Sind Vorerkrankungen bekannt? Werden regelmäßig Medikamente eingenommen und welche Medikamente werden in der Reiseapotheke mitgeführt?

Es stellt sich heraus, was der Hotline-Arzt bereits während der ersten drei Minuten des Anamnesegesprächs vermutet. In der Vorgeschichte litt der Kunde bereits mehrfach an Nierenkoliken. Krampfartig-episodische Schmerzen, die durch Nierensteine verursacht werden. Diese können sowohl in der Niere, als auch und vor allem im Harnleiter stärkste Schmerzen bei der Passage in die Harnblase verursachen. Das Gefährliche ist ein Aufstau des Urins, der aufgrund des Steinhindernisses nicht in die Blase gelangen kann und sich in der entsprechenden Niere aufstaut. Das kann schwerwiegende Folgen mit bleibenden Schäden am Organ haben und muss schnellstmöglich ausgeschlossen werden, dessen ist sich der Hotline-Arzt im Klaren.  Es erfolgt daher die Empfehlung zur konservativen Therapie in Form von reichlicher Flüssigkeitsaufnahme und Einnahme der zur Verfügung stehenden Schmerzmittel. Zudem parallel die Vorstellung beim nächstgelegenen Arzt bzw. Notaufnahme. Da sich der Kunde auf einer abgelegenen Insel der Bahamas befindet, ist nur eine kleine  
Krankenstation mit einem Arzt verfügbar. Hier erhält der Erkrankte eine Schmerzinfusion und es erfolgt in einem Zeitraum von einer Stunde eine telefonische Rücksprache des Hotline-Arztes mit dem behandelnden Arzt vor Ort. Im Rahmen dieses Telefonats wird schnell deutlich, dass auf der abgelegenen Insel, die jedoch über einen Flughafen verfügt, eine weitere Diagnostik vor allem zum Ausschluss eines Harnaufstaus der linken Niere und eine erweiterte medizinische Versorgung nicht möglich ist. Da die medizinische Versorgung auch  
auf der Hauptinsel der Bahamas nicht dem europäischen Standard entspricht, wird auch auf Empfehlung des ärztlichen Kollegen vor Ort, die Entscheidung zum Ausfliegen des Kunden nach Florida (USA) beschlossen. In den folgenden Tagen erhält der Kunde nach komplikationslosem Flug dort unter entsprechenden schmerzstillenden Medikamenten eine adäquate Diagnostik und Therapie und kann im Verlauf von drei Tagen entlassen werden und seine Reise fortsetzen.

Auch laufende Assistance-Notfälle werden an diesem Tag vom Hotline-Arzt bearbeitet:

Am gestrigen Nachmittag um 14:30 Uhr erreichte die ärztliche Hotline ein Anruf von Bali, Indonesien (20:30 Uhr Ortszeit). Ein 55-jähriger Kunde und Taucher ist mit seiner Frau für einen Backpacking-Urlaub zunächst auf Java unterwegs und schließlich auf Bali. Hier absolviert der Kunde an insgesamt zwei Tauchtagen, zwischen denen ein Tag Tauchpause liegt, insgesamt vier Tauchgänge, das heißt zwei am Tag ohne Regelverstöße mit für Bali typische moderate Tiefen bis maximal 25 Meter Tiefe. Am Ende des zweiten Tauchtags verspürt der Taucher ein leichtes Brennen im Rachen und Brustbereich, dem er keine weitere Bedeutung beimisst. Am Abend ist der Kunde bei heißen Außentemperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit auf dem Weg zum Supermarkt, wo er merklich spürt, dass seine Schritte schwerer werden und er außer Atem gerät. Der Kunde berichtet dem Hotline-Arzt, dass er denke, tagsüber zu wenig gegessen und getrunken zu  
haben und sich daher schwach fühle. Der Druck auf der Brust wird allerdings bei zunehmender Anstrengung stärker und der Kunde berichtet von starken Schweißausbrüchen. Seine Frau und der Kunde entscheiden sich schließlich etwas essen zu gehen und machen sich wiederum auf den Weg zu einem Restaurant. Der Weg dorthin fiel dem Kunden sehr schwer, sodass sich der Kunde und auch seine Ehefrau zunehmend Sorgen machen. Durch Zufall begegnen sie einem Tauchbuddy. Schließlich wird in der Annahme eines Tauchunfalls  
Sauerstoff für den Kunden aus der Tauchbasis organisiert. Die Symptome bessern sich allerdings unter der normobaren Sauerstofftherapie nicht, sodass die aqua med-Hotline kontaktiert wird und der Kunde 
in jenem Moment mit dem Hotline-Arzt spricht.
Eine Dekompressionserkrankung kann bei offenkundigem Tauchzusammenhang nicht ausgeschlossen werden, dennoch sind die Symptome insgesamt untypisch für diese Erkrankung. Zudem liegt ein sehr konservatives Tauchprofil vor mit einem Tag Tauchpause zwischen zwei Tauchtagen mit zwei Tauchgängen in moderaten Tiefen und ohne Regelverstöße.  
Das Atmen fällt dem Kunden während des Telefonats zunehmend schwerer und er gibt weiterhin ein Brennen hinter dem Brustbein an. Daher entscheidete sich der Hotline-Arzt dazu den Kunden in ein Krankenhaus einzuweisen, um weitere Untersuchungen vornehmen zu lassen. Hier wird nach Rücksprache mit dem Kunden und den behandelnden Ärzten nochmals das Augenmerk auf Symptome einer Dekompressionserkrankung gelegt, die sich nicht bestätigten. Weiterhin wurde ein Röntgenbild der Lunge angefertigt und Blut abgenommen. Diese Untersuchungen blieben ebenfalls ohne pathologischen Befund. Der Kunde wurde mittlerweile tief in der Nacht nach Balis Ortszeit entlassen und verbringt die Nacht im Hotelzimmer.

Heute Morgen werden die mittlerweile übermittelten Arztbriefe und Laborergebnisse vom Assistance-Team gesichtet und ausgewertet. Es erfolgt eine telefonische Rücksprache zwischen dem Kunden und dem Hotline-Arzt. Der Kunde berichtet von persistierenden Beschwerden, die im Laufe der Nacht ein wenig besser geworden seien. Was hatte aber die heftigen und bedrohlich wirkenden Symptome des Kunden am späten Nachmittag des Vortags verursacht? Der Hotline-Arzt lässt nicht locker und bittet den Kunden in Begleitung seiner Ehefrau nochmals das Krankenhaus auf Bali aufzusuchen und explizit ein EKG (Elektrokardiogramm) anfertigen zu lassen. Hier sehe das EKG zwar nicht normal aus, doch ein Herzinfarkt, wie der Hotline-Arzt in Zusammenschau aller Symptome vermutet, lässt sich laut Aussage der dortigen Ärzte nicht diagnostizieren. Aufgrund unzureichender Qualität der medizinischen Behandlung erfolgt die Zuweisung des Kunden in ein Partnerkrankenhaus in Denpasar, der Hauptstadt Balis. Hier wird erneut das Schreiben eines EKGs veranlasst
sowie die Konsultation durch einen Kardiologen. Hier bestätigt sich die Verdachtsdiagnose eines ausgedehnten Hebungsinfarkts der Herzhinterwand (Abb. 1). Es erfolgt die rasche Indikationsstellung für eine Koronarangiographie (Herzkatheteruntersuchung), die nur nach intensiver Rücksprache und Drängen durch die Hotline-Ärzte bei mangelnder zeitlicher und personeller Verfügbarkeit zeitnah und nicht wie ursprünglich avisiert in sieben Tagen erfolgen konnte. Im Rahmen der Koronarangiographie bestätigte sich der langstreckige Verschluss einer Herzkranzarterie, die mittels Stents wieder eröffnet wurde. Diese Intervention rettete dem Kunden das Leben. Der Kunde und die aqua med-Hotline stehen in ständigem Kontakt. Nach zwei Tagen Krankenhausaufenthalt konnte der Kunde schließlich eine Woche später die Heimreise antreten. Parallel dazu kümmerte sich die aqua med-Assistance um einen zeitnahen Termin bei einem Kardiologen am Heimatort, um schnellstmöglich und reibungslos eine kardiologische Rehabilitation antreten zu können.

Abb. 1: Exemplarische Darstellung eines 12-Kanal-EKGs. Deutliche ST-Streckenhebungen über der Herzhinterwand zu sehen in den Extremitäten-Ableitungen II, III und AVF (blauer Pfeil). Der Übersicht halber wird auf die Darstellung der Brustwandableitungen verzichtet. © Dr. Dr. Philipp Stahl

Um 10:40 Uhr ist der Hotline-Arzt erneut an diesem bisher bereits geschäftigen Tag gefragt. Es meldet sich der Partner einer Kundin aus Südägypten (11:40 Uhr Ortszeit). Die Kundin beklagt seit nunmehr drei Tagen einen zunächst juckenden Ausschlag mit Bläschenbildung der Innenseite des rechten Oberschenkels und der rechten Kniekehle. Seit dem Vortag seien die betroffenen Hautareale nun sehr schmerzhaft und nicht mehr mit dem Tauchen zu vereinbaren, da der Neoprenanzug zu starke Schmerzen hervorrufe. Die Frage, die der Partner der Erkrankten stellt, ist jene nach einem möglichen Tauchzusammenhang im Sinne einer Dekompressionserkrankung oder einer Allergie. Nach ausführlicher tauchmedizinischer Anamnese wird schnell klar, dass eine DCS ausgeschlossen werden kann. Bei genauerem Nachfragen wird berichtet, dass bereits Salben aus der Hausapotheke auf die betroffenen Stellen aufgetragen wurden, aber keinerlei Linderung brachten. Zudem wurde von Mitreisenden die Empfehlung zur Einnahme eines Cortisonpräparats empfohlen  
und zur Verfügung gestellt. Dadurch sei zwar der initiale Juckreiz gelindert worden, aber die betroffenen Hautbereiche seien jetzt mit deutlich mehr schmerzhaften Bläschen und Rötungen versehen. Die Kundin sei verzweifelt, schmerzgeplagt und aktuell auf dem Weg zum Hotelarzt, daher ist es dem Hotline-Arzt nicht möglich mit der Kundin persönlich zu sprechen. Ein persönliches Gespräch mit dem betroffenen Kunden ist immer anzustreben, da in der Regel ein Informationsverlust bei der Schilderung durch Dritte entsteht. Der Hotline-Arzt hat bereits einen Verdacht und bittet den Partner der Kundin rasch nach Rückkehr ins Hotelzimmer Bilder der betroffenen Hautareale zu machen und zuzusenden. Sobald diese vorliegen,  
erfolgt ein zeitnaher Rückruf an die Kundin. Die Bilder erreichen die Assistance circa 30 Minuten später und nach Sichtung durch den Hotline-Arzt bestätigt sich die Verdachtsdiagnose, die in dieser Ausprägung eine Blickdiagnose ist (Abb. 2). Der Hotline-Arzt stellt die Diagnose eines Herpes zoster (Gürtelrose) und kann dann im persönlichen Gespräch die Kundin beruhigen und Handlungsanweisungen hinsichtlich der medikamentösen Therapie geben. Das Cortisonpräparat Mitreisender sowie die bereits aufgetragenen Salben aus der Hausapotheke sind ab sofort zu meiden. Das empfohlene Virostatikum sowie eine spezielle Paste zur Schmerzlinderung sind in einer Apotheke im rund zwei Stunden entfernten Hurghada erhältlich, sodass der Therapiebeginn am Folgetag beginnen kann. Ein Abbruch der Reise ist nicht notwendig, allerdings wird empfohlen die betroffenen Stellen vor Sonneneinstrahlung zu schützen sowie Salz- und Poolwasser zu meiden. Zudem wird die Kundin, die bereits das 60. Lebensjahr überschritten hat, hinsichtlich einer Impfung gegen Gürtelrose in Deutschland nach vollständigem Abklingen der Erkrankung beraten (siehe dazu auch den Text unter Abb. 2). 

Abb. 2: Typisches Bild einer Gürtelrose (Herpes zoster) der rechten Oberschenkelinnenseite und Kniekehle. Eine initiale Rötung mit mgl. Juckreiz, wie o.g. Kundin beschrieben, geht im Verlauf mehrerer Tage in eine deutliche Bläschenbildung mit teils sehr schmerzhaften betroffenen Hautarealen einher. Die Erkrankung ist impfpräventabel und wird von der STIKO (Ständigen Impfkommission) für alle Personen ab dem 60. Lebensjahr als Standartimpfung und für Personen mit chronischen Vorerkrankungen bereits ab dem 50. Lebensjahr. © Dr. Dr. Philipp Stahl

Ein weiterer laufender Assistancefall wird bearbeitet:

Genau 11:35 Uhr ruft der Hotline-Arzt einen Rucksackreisenden aus Thailand (16:35 Uhr Ortszeit) an. Dieser hatte am Vortag den Rat der Hotline-Ärzte gesucht. Er beklagt seit drei Tagen einen für ihn ungewöhnlich lang anhaltenden fiebrigen Infekt mit anfangs Übelkeit und Durchfall und nun mit ausgeprägten Schmerzen in den Gliedern, Gelenken und dem Rücken, sodass er sich kaum rühren könne. Weiterhin sei ihm ein feinfleckiger Ausschlag an Brust, Bauch und soweit beurteilbar auch am Rücken aufgefallen. Nach entsprechender ausführlicher Anamnese werden unter anderem auch die Reiseroute und das Auftreten von Mückenstichen abgefragt. Letzteres wird bejaht. Anhand der geschilderten eindrücklichen Symptome, der Reiseroute und des Auftretens von Mückenstichen am Tage stellte der, auch in Tropen- und Reisemedizin geschulte, Hotline-Arzt die Verdachtsdiagnose eines Dengue-Fiebers und empfahl die umgehende Vorstellung in einer Notaufnahme eines nahe gelegenen Krankenhauses. Diese wurde anhand einer sogenannter Setcard für das Land Thailand gemeinsam mit der Assistance rasch herausgesucht und ein entsprechendes Kooperationskrankenhaus, mit dem aqua med vor allem in Hinblick auf tropenmedizinische Diagnostik gute Erfahrung gemacht habe, empfohlen. Es wurde noch am gestrigen Tag mittels Schnelltest innerhalb von einer Stunde die Diagnose eines Dengue-Fiebers gestellt. Es erfolgten zudem noch die Abnahme weiterer Laborparameter, insbesondere eins Blutbilds, auf die der Kunde noch warten musste. Schließlich zeigte sich ein für das Dengue-Fieber typisches Bild einer Reduktion der für die Gerinnung mitverantwortlichen 
Blutplättchen (Thrombozyten). Eine stationäre Aufnahme war aber nach Verabreichung und Rezeptierung fiebersenkender und schmerzstillender Medikamente nicht nötig.
Beim heutigen Telefonat stellte sich heraus, dass der Kunde am Tage auch ohne Medikamente fieberfrei war. Es erfolgten im Verlauf der folgenden sechs Tage tägliche Telefongespräche mit dem Erkrankten und die Auswertung der täglich übermittelten Laborwerte, wofür der Kunde sich täglichen Blutabnahmen unterziehen musste. Insbesondere in der Entfieberungsphase besteht die Gefahr von schweren Blutungen. Das sogenannte hämorrhagische Dengue-Fieber geht mit der Gefahr eines  lebensbedrohlichen Gesundheitszustandes einher. Hinsichtlich dieses Notfalls normalisierten sich entsprechende Laborparameter nach initialem Abfall bis Tag drei nach Erstvorstellung wieder. Für weitere Fragen und eventuellen verbleibenden Restsymptomen steht dem Kunden die aqua med-Hotline stets zur Verfügung.

Abb. 3: Die Stechmücken der Gattung Aedes albopictus (Asiatische Tigermücke) und Aedes Aegypti (Gelbfiebermücke) sind tagaktiv (diurnal), stechen daher vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung. Exemplarisch ist hier eine Asiatische Tigermücke gezeigt. Sie ist vor allem in Südostasien für das Übertragen des Dengue-Virus verantwortlich. © CDC

Gegen 16:45 Uhr klingelt das Telefon des ärztlichen Hotline-Dienstes erneut. Ein Anruf eines besorgten Ehemanns einer Kundin von einem Safariboot auf den Malediven (19:45 Uhr Ortszeit). Diese sei nach bisher  
insgesamt drei Tauchtagen und insgesamt zehn Tauchgängen in diesen Tagen circa 30 Minuten nach dem letzten und dritten Tauchgang am heutigen Tag zunächst sehr schläfrig und schlaff gewesen und habe sich  
in die Bootskajüte zurückgezogen. Nach weiteren 30 Minuten bemerkte die Kundin nach einer Dusche im Spiegel fleckige Rötungen an beiden Hüften, Bauch und Dekolleté. Etwa 20 Minuten später beschrieb die Kundin ihrem Ehemann Kribbeln und Missempfindungen an beiden Händen und Unterarmen sowie beiden Füßen. Es wurde die verantwortliche Bootscrew und der Diveguide informiert. Zunächst wurde hinsichtlich der, im Verlauf dann korrekten, Einschätzung einer Dekompressionserkrankung zurückhaltend auf die Verabreichung von 100 Prozent Sauerstoff reagiert und nichts unternommen. Als sich dann wiederum rund eine halbe Stunde später die Kundin mit Schwindel und Übelkeit sowie stärker werdenden Missempfindungen erneut an die Crew wandte, erfolgt der Anruf an den aqua med-Tauchernotruf. Nach gezielter Befragung durch den Hotline-Arzt, zunächst des Ehemannes und dann auch persönlich mit der verunglückten Taucherin konnte die Diagnose einer schweren Dekompressionskrankheit gestellt werden. Es erfolgte die dringende Empfehlung zur sofortigen Einleitung einer Sauerstofftherapie mit einer enganliegenden Maske für mindestens 30 Minuten. Zudem erfolgte die engmaschige telefonische Abstimmung mit dem verantwortlichen Diving-Supervisor des Safarischiffs. In einem erneuten Telefonat rund 40 Minuten später schilderte die Kundin zwar eine Besserung der zuvor geschilderten Symptomatik mit aber noch persistierendem Kribbel- und Taubheitsgefühl (Taucherflöhe) sowie fleckförmigen Veränderungen oben beschriebener Körperpartien (Cutis marmorata, Abb. 4). Übelkeit und Schwindel sind ebenfalls noch vorhanden.  
Daraufhin erfolgte in einem weiteren Telefonat mit dem Hotline-Arzt die Empfehlung zur Druckkammertherapie. Im Verlauf mehrerer Telefonate wurde die Kundin bei nächstgelegener, verfügbarer Druckkammer angemeldet und ein Transport mit einem Speedboot organisiert. Rund acht Stunden nach erfolgtem Hotline-Anruf (1:00 Uhr in Deutschland, 4:00 Uhr Ortszeit Malediven) wurde der Zustand und die klinischen Symptome der Taucherin durch den Hotline-Arzt nebst Sichtung und Auswertung des inzwischen zugesandten Arztbriefes der behandelnden Druckkammerärzte vor Ort reevaluiert. Eine USN Tabelle VI ist im Druckkammerzentrum erfolgt und zeigte gutes Ansprechen, sodass die Kundin fast gänzlich symptomfrei war. Nach telefonischer ärztlicher Besprechung des Hotline-Arztes mit dem Druckkammerarzt auf den Malediven wurde die Kostenübernahme für eine Folgedruckkammerfahrt für den Folgetag vereinbart. Die verunglückte Taucherin war nachdieser Follow-up-Fahrt gänzlich symptomlos und konnte ihren Urlaub, nicht aber ihren Tauchurlaub fortsetzen. Im Rahmen mehrerer Telefongespräche durch das ärztliche Hotline-Team mit der Kundin wurde eine Tauchpause empfohlen und darauf hingewiesen, dass die Tauchtauglichkeit nach diesem Tauchunfall erloschen ist. Eine erneute Tauchtauglichkeitsuntersuchung durch einen Tauchmediziner wurde in frühestens drei Monaten empfohlen. Zudem besteht das Angebot der tauchmedizinischen Beratung durch das MHW Medical Board. 

Abb. 4: Cutis marmorata bei o.g. Taucherin als Folge einer lymphokutanen DCS. Diese Form der Symptomatik findet sich häufig bei Taucherinnen und Tauchern mit einem PFO. Formal handelt es sich in diesem Fall um eine arterielle Gasembolie (AGE) aufgrund des Shunt-Mechanismus zwischen beiden Vorhöfen und daher laut Klassifikation um eine DCI. © Dr. Dr. Philipp Stahl

Gegen 20 Uhr meldete sich ein Taucher auf der ärztlichen Hotline aus dem Auto auf dem Weg von Messinghausen im Sauerland nach Hause in Süddeutschland. Er habe mehrere technische Tauchgänge durchgeführt und sich bereits vor zwei Tagen am Ende des Tauchtages nicht wohl gefühlt. Vor zwei Tagen gab er Druck im Bereich der Brust, Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein gepaart mit Müdigkeit an. Die Symptome seien dann am nächsten Tag verschwunden, sodass weiter getaucht worden war.  
Bezüglich der Tauchgänge wurden regelkonforme Tauchgänge mit langen Austauchphasen und verlängerten Sicherheitsstopps angegeben. Die Gradientenfaktoren (GFs) waren insgesamt konservativ eingestellt. Grund des Anrufs seien erneute Beschwerden, ähnlich wie solche vor zwei Tagen, die er rund 60 Minuten nach Beendigung des letzten Tauchgangs beim Packen des Autos bemerkt habe. Neben Druck hinter dem Brustbein, Unwohlsein, Kopfschmerz mit leichter Übelkeit berichtet der, aktuell immer noch im Auto auf einer Raststätte wartende, Kunde über subjektive Schwierigkeiten beim Atmen (er habe das Gefühl nicht ausreichend Luft zu bekommen) sowie leichtes Schwindelgefühl als neues Symptom. Zudem zeige das eigene Pulsoxymeter (Fingergerät zur Messung der peripheren Sauerstoffsättigung im Blut) einen niedrigen Wert. In Zusammenschau der Symptome mit den vorausgegangenen Tauchprofilen entscheidet sich der Hotline-Arzt dazu, den Kunden zu bitten, den Rettungsdienst zu alarmieren unter Angabe seiner soeben geschilderten Krankengeschichte und aktuellem Standort.  
Im weiteren Verlauf des Abends bzw. der Nacht erfolgten mehrere telefonische Rücksprachen des Hotline-Arztes mit dem diensthabenden Internisten des im Sauerland befindlichen Akutkrankenhauses, auch vor dem Hintergrund, dass die dortigen Kollegen in Hinsicht auf Tauchunfälle gerne die tauchmedizinische Expertise des Hotline-Arztes und entsprechende Empfehlungen annahmen.  
Der Kunde war nicht vital bedroht, seine Sauerstoffsättigung war initial tatsächlich eingeschränkt, weshalb er über eine Nasenbrille Sauerstoff in niedriger Flussrate erhalten habe. Diese zuvor geschilderten Symptome waren rückläufig (Druck hinter dem Brustbein, Kopfschmerzen, leichtes Schwindelgefühl), sodass die Sauerstofftherapie von den dortigen Kolleginnen und Kollegen bei guter Sauerstoffsättigung unter Raumluft im Verlauf von zwei Stunden beendet wurde. Nach Rücksprache mit dem Hotline-Arzt erfolgte noch der radiologische Ausschluss eines sehr ernstzunehmenden Krankheitsbildes, was sich nicht selten schwierig diagnostizieren lässt, eine Lungenarterienembolie. Weiterhin erfolgte eine Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie). Hier zeigten sich zwar am Herzen keinerlei Auffälligkeiten, aber eine ausgedehnte Akkumulation (Ansammlung) von Gasblasen im Bereich des rechten Herzvorhofs und der rechten Herzkammer (Abb. 5).

Abb. 5: Bildausschnitt der Transthorakalen Echokardiographie (TTE) beim o.g. verunfallten Taucher. Der rechte Ventrikel (rechte Herzkammer, weißer Pfeil, links im Bild) weist im Rahmen dieses Tauchunfalls eine deutliche Blasenlast (weiße Punkte bzw. Pünktchen) im Vergleich zum linken Ventrikel (linke Herzkammer, roter Pfeil, links im Bild) auf. In diesem Fall funktioniert der Lungenfilter gut, da die Blasen vom rechten Ventrikel via Lungenarterie (sauerstoffarmes, aber Stickstoffblasen-reiches Blut) zur Lunge transportiert werden, im Rahmen des alveolären Gasaustauschs abgeatmet werden und in diesem Fall fast Stickstoffblasen-armes (aber sauerstoffreiches) Blut via Lungenvenen über den linken Herzvorhof in den linken Ventrikel und sukzessive in den Kreislauf gelangen. © Dr. Dr. Philipp Stahl

Dieses Phänomen wurde nach erneuter Rückline-Arzt als Zeichen einer massiven Gaslast, das heisst einer Übersättigung des venösen Systems gewertet. Der Lungenfilter zum Abatmen der Stickstoffbläschen funktionierte aber anhand des Herzultraschallbefundes sehr gut, da das linke Herz kaum bis keinerlei Blasen zeigte.  
Es erfolgte nach intensiver Rücksprache und bereits deutlich fortgeschrittener Zeit – es war inzwischen Mitternacht – die Wiederaufnahme einer normobaren Sauerstofftherapie. Eine Druckkammertherapie war aufgrund der ungünstigen geographischen Lage, fehlender nächtlicher Verfügbarkeit und bereits prompt rückläufigen Symptomen unter initialer Sauerstofftherapie als sekundär eingestuft worden. Am Folgetag erfolgte eine Verlaufskontrolle der Herzultraschalluntersuchung, in der sich keinerlei Restblasen im Bereich des rechten Herzens mehr zeigten. Der Kunde war vollkommen symptomfrei, sodass eine nun am Tag mögliche Verlegung in das nächste Druckkammerzentrum nicht mehr indiziert war. Dem Kunden wurde eine Tauchpause empfohlen und bei erloschener Tauchtauglichkeit vor Wiederaufnahme des Tauchsport eine erneute Tauchtauglichkeitsuntersuchung.
Im weiteren Verlauf erfolgten im Rahmen der tauchmedizinischen Beratung noch mehrere Gespräche hinsichtlich der Ursache der geschilderten Symptome. Eine Dekompressionserkrankung kann schließlich nur als Verdacht formuliert werden, aber eine kritische Blasenlast (Herzultraschallbefund) nach mehreren anspruchsvollen technischen Tauchgängen innerhalb von drei Tagen ist nach prompter Besserung der Symptome unter Sauerstofftherapie anzunehmen. Die Schmerzen im Brustbein können als sogenannte chokes gewertet werden.


FAZIT

Der Tag einer medizinischen Assistance ist abwechslungsreich und erfordert ein hohes Maß an Verständnis, Einfühlungs vermögen und Flexibilität. Es ist ein breit aufgestelltes Fachwissen, weit über die tauchmedizinischen Grenzen hinaus, erforderlich. Dennoch ist die spezielle tauchmedizinische Expertise und Erfahrung in der Diagnose und Behandlung von Tauchunfällen zwingend erforderlich. Ein polypragmatischer Handlungsansatz ist in der (Tauch-)Assistance-Medizin unerlässlich. Obgleich bestimmte Krankheitsbilder leitlinienentsprechende Behandlung bedürfen, ist in besonderen Situationen, wie beispielsweise Tageszeit, abgelegene Gebiete, mangelnde Verfügbarkeit eines operablen Durckkammerzentrums oder fehlende Transportfähigkeit der verunglückten bzw. erkrankten Person, stets Flexibilität vom medizinischen Assistance-Team erforderlich.
Höchste Priorität genießt immer die Gesundheit der Anruferinnen und Anrufer. Das oberste Ziel ist es, den Kundinnen und Kunden immer die bestmögliche medizinische Versorgung zukommen zu lassen, auch wenn das unter Umständen sehr aufwendig sowie zeit- und kostenintensiv ist.